Klaus Theuerkauf & Monke H. Rauer – KEIN GELD VERDIENEN KANN ICH AUCH ALLEINE

Samstag, 4. September 2010

Klaus Theuerkauf war eine zentrale Figur bei der Gründung der Gruppe „endart“ 1980, die ihre große Zeit in der Kreuzberger Oranienstraße hatte, bis sie erstmals 1988 per Traueranzeige im Tagespiegel ihren Tod bekanntgab und sich dann nochmals 1994 mit einer grandiosen Retrospektive im Kunstraum Kreuzberg aus dem Kunstbetrieb verabschiedete. Klaus Theuerkauf jedoch machte dort weiter, wo „endart“ aufgehört hatte und setzte seine Kunst mit allen ihm genehmen Mitteln fort. Objets trouvés, die mal mit kleinen Interventionen umgearbeitet werden oder eine radikale Veränderung erfahren, zählen ebenso zu seinem schier unüberschaubaren Werk wie das zentrale Medium: die Malerei neben Porno-Collagen, Zeichnung und Druckgrafik. Täglich, fast stündlich malt, zeichnet und skizziert er überall wo er sich aufhält in seine Skizzenbücher unterschiedlicher Formate. Neben der umfangreichen eigenen Kunstproduktion ist Theuerkauf ein exzellenter Kenner der Kunstgeschichte und hat Ausstellungen wichtiger, aber vergessener oder links liegen gelassener Positionen in der Kunst angeregt und in der NGBK mitorganisiert (Blalla W. Hallmann, NO!art, Unica Zürn) sowie in kleinen Studio-Ausstellungen öffentlich gemacht. Neben der Bildenden Kunst gehört seine große Liebe der Musik. Vor ca. 18 Jahren gründete er mit Axel Grumbach (Musikalischer Kopf der Trash-Noise Formation Trick-Beat und Herausgeber des Fanzines SUPER!Bierfront) das Original Oberkreuzberger Nasenflöten-orchester: Der Grindchor, das seit dieser Zeit mit großer Kunstfertigkeit alle möglichen Klassiker der Popkultur wie auch des Jazz, ja aller Musikgenres covert, verfremdet und auch durch den Kakao zieht. Auch hier werden vergessene Perlen der Musikgeschichte wiederentdeckt und neu arrangiert. Die Konzerte sind mittlerweile Kult und ein Teil des Repertoires auf diversen CDs erhältlich. Mit dabei oder assoziiert sind Harry Rowohlt, Thomas Kapielski, Brezel Göring (Sigmund-Freud-Experience und Stereo Total, auch Mitglied der Urformation), Frieder Butzmann, Chilly Gonzalez, um nur einige der vielen involvierten Kulturproduzenten aus Literatur, Film und Fernsehen zu erwähnen. Klaus Theuerkauf ist seit dreißig Jahren aus der Oranienstraße nicht wegzudenken. Mit seinem wachen Sinn für Veränderungen hat er das alte, unverwechselbare Kreuzberg in Texten und Bildern festgehalten und die permanente Gentrifizierung mit großem Argwohn verfolgt. In seinen Erinnerungen feiern die Urstände des punkigen Kreuzbergs mit den Anfängen des SO 36 und der Künstlerszene JungeWilde , alte Radikale, RAF, Bohème im Umfeld Auferstehung. „Schrippen-Andy“, „Briese“ oder „Kohlenpille“, „Fantabär“ („geboren im Zeichen der Pfandflasche“) werden in Anekdoten wieder lebendig und geben beredtes Beispiel, wie vielfältig bizarr und klassenmäßig durchmischt Kreuzberg lang vor der Yuppiesierung war. Westdeutsche Großbürger waren damals eher selten und wurden etwas argwöhnisch betrachtet, heute bevölkern sie die O-Straße. In das ehemalige anarchische Kulturgetto haben sich nur die Menschen gewagt, die neugierig auf eine erfreulich frische und kluge Kunstszene trafen, zu denen „endart“ gehörte. Auch Udo Kittelmann, der heutige Direktor der Neuen Nationalgalerie und des Hamburger Bahnhofs, hätte beinahe in der Küche von „endart“ übernachtet, als Blalla W. Hallmann zunächst nicht anzutreffen war. Solche Begebenheiten sowie kleine Geschichten zu fast jedem Lokal und Laden weiß Theuerkauf zu erzählen. Das Ganze ist vermischt mit politischer Kritik und Kunstmarktbashing ebenso wie allerhand Unbekanntem und Absonderlichem über Captain Beefheart, Politik, Sexualität,Alfred Jarry, ‚Pataphysik, Pornografie, Opportunismus, Hausbesetzungen, Jonathan Möse, Dummbeuteltum bis zu Iggy Pop und Sun Ra. Die meisten ehemaligenBerlinhasser aus dem Rheinland sind dem Geld hinterhergezogen und gerieren heute als die vermeintlichen Erfinder des „Neuen Berlin.“ Die erste Einzelausstellung Theuerkaufs außerhalb der Hauptstadt ist nun nach 18 Jahren hier im Kunstverein Koelnberg e.V. zu sehen. Zur Eröffnung am 3.9. und am darauf folgenden 4.9. 2010 werden Das Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester: Der Grindchor zum Tanze aufspielen. Auf einige Überraschungen darf man sich auch gefaßt machen bei dieser Darbietung eine etwas andere Kunstauffassung entdecken, als sie die stets fast ausschließlich am Markt orientierten Kollegen teilen. Das Motto der Schau ist das Zitat eines häufig geäußerten Zitates seines besten Freundes, des vor 13 Jahren viel zu früh verstorbenen Blalla W. Hallmann (1941 – 1997) und als Homage auf ihn zu sehen.

Ausstellungsdauer: 05.09. bis 24.09.2010