Alice Musiol & Nisrek Varhonja OPENER

Freitag, 7. September 2012

Am 7. September eröffnet der Kunstverein Koelnberg unter dem Titel „Opener“ sein Ausstellungsprogramm mit Arbeiten von Alice Musiol und Nisrek Varhonja. Die schwarz-weiße Einladungskarte nimmt die reduzierte Farbpalette der ausgestellten Arbeiten vorweg, der Schmetterling, mit seinem Kokon ein Symbol für Werden und Vergehen, deutet den starken inhaltlichen Fokus auf das Thema Zeit in den Arbeiten beider Künstlerinnen an, das auf unterschiedlichste Weisen aufgegriffen und artikuliert wird. Besondere Bedeutung erhält in diesem Zusammenhang das künstlerische Medium der Zeichnung, das vor allen anderen dazu geeignet ist spontane Einfälle, Gedanken und Gefühle festzuhalten. Die Konzentration auf Schwarz und Weiß und das Fließen Lassen der künstlerischen Materialien bilden die formale Klammer der Ausstellung.

Alice Musiol wurde 1971 in Kattowitz/Polen geboren und kam 1981 mit ihrer Familie nach Deutschland. Nach Studienjahren in Maastricht (Academie Beeldende Kunsten) und Mailand (Nuova Accademia di Belle Arti) wurde sie 1998 Meisterschülerin bei A.R. Penck an der Akademie in Düsseldorf, wo sie 1999 ihr Studium abschloss.

Die hier gezeigten Arbeiten drehen sich um das Thema Zeit. Die Rauminstallation „Der Fall“ ist eng mit der Biografie der Künstlerin verbunden, bezieht sich auf das Bleiben auf Zeit und das sich Anpassen an gegebene Umstände. Diese Arbeit wurde eigens für die Kölner Ausstellung konzipiert und soll unmittelbar nach deren Ende wieder abgebaut werden, um die Materialien für andere Projekte nutzbar zu machen. Die Künstlerin bricht buchstäblich ihre Zelte ab und zieht weiter.

Neben dem Faktor Zeit spielt der Umgang mit extremen Gegensätzen im Werk von Musiol eine große Rolle. Das karge, zerbrechliche Zeltgestänge wird von dem schweren, opulenten Samtstoff umspült – dem Statischen wird das Fließende gegenübergestellt, Schönheit und Bedrohung sind hier gleichstarke Kräfte.

Seit ihrem Studium arbeitet Musiol mit Nadel und Faden. Für die Künstlerin ist Sticken wie verlangsamtes Zeichnen. Die Dauer des Arbeitsprozesses tritt in den Vordergrund. Beim Anblick der Arbeit „HA HA HA AHA HA HA“ (seit 2010) fragt man sich tatsächlich, ob die Künstlerin dieses „Bild“ jemals fertig stellen wird. Aus nützlicher Handarbeit wird ein nicht enden wollendes Formulieren von Kürzeln, ein immer weiter wachsendes grafisches Ornament.

Material- und Zeitfluss spielen auch in den Arbeiten Nisrek Varhonjas eine wichtige Rolle. In ihrer neuen Serie „Reich voller Könige“ kombiniert sie deshalb die zwei klassischen Techniken Tuschezeichnung und Kaltnadel. Zunächst ritzt die Künstlerin winzige Gegenstände, Figuren und abstrakte Formen in das weiße, geleimte Papier. Diese Zeichnungen – oft winzige Kürzel – wirken beiläufig wie Notizen. Sichtbar werden diese Skizzen erst durch das Auftragen der Tusche, die auf das zum Teil angefeuchtete Papier gegossen wird. Der Fließprozess wird durch zusätzlichen Wasserauftrag, das Schwenken des Blattes und den Einsatz eines Föns forciert. In einem dritten Schritt skizziert die Künstlerin in das feuchte Papier weitere Figuren und Formen. Ist die Tusche abgeflossen und getrocknet, wird sichtbar, was sie spontan in einer Art automatischem Schreibreflex auf dem Blatt festhält: Jeder Gedanke, der während des Zeichnens aufkommt, wird unmittelbar als Figur oder Form in das Papier eingraviert und so Teil der gegenwärtigen Erscheinungswelt. Dabei gibt Varhonja die Kontrolle über die Komposition ab und lässt durch das Zufallsprinzip endlose Landschaften und luftige Himmelsräume entstehen. Durch das Gießen der Tusche entstehen sanfte Farbverläufe und dunkle Konturen, die für eine enorme Tiefenräumlichkeit sorgen.

Nisrek Varhonja, Jahrgang 1979, nahm ihr Studium im Jahr 2001 an der Universität der Künste in Berlin auf. Nach Studienjahren in Stockholm (Kunsthochschule Konstfack und Royal University College of Fine Arts) kehrte sie nach Berlin zurück, wo sie ihre künstlerische Ausbildung im Jahr 2006 als Schülerin von Daniel Richter an der Universität der Künste abschloss.

–Kerstin Skrobanek

Beide Künstlerinnen leben und arbeiten in Köln. Weitere Informationen unter www.alicemusiol.de und www.nisrek-varhonja.com.

Ausstellungsdauer: 08.09. bis 22.09.2012