Richard Schneider – STRICHE

Freitag, 21. Oktober 2011

Richard Schneiders erste Arbeiten, die während seines Studiums an der Kölner Werksschule 1970 – 1976 entstanden, verraten eine große Affinität zur Bewegung und loten auf fast spielerische Weise die Grenzen der Zweidimensionalität aus. Die figürlichen Zeichnungen, oft geprägt von mythologischer Symbolik, erhalten durch schwungvolle Übermalungen eine ganz neue Dynamik. Die ursprünglichen Arbeiten verschwinden jedoch nicht unter einer „Deckschicht“, sondern gewinnen für den Betrachter eine zusätzliche Dimension, treten ihm quasi entgegen. Durch den Impuls, der Bewegung der Linien zu folgen und das gleichzeitige Bedürfnis, auf den sichtbaren Anteilen der Zeichnungen zu verweilen, sie zu „entziffern“, entsteht eine Spannung, die den Rezeptionsprozess aus der Passivität heraus in Richtung eines aktiven Erlebens führt. Richard Schneider verließ das Medium der Zeichnung, um mit dem Alltagsmaterial Dachpappe, das er einfärbte und in Streifen schnitt, Skulpturen zu schaffen, die er selbst wiederum als „Raummalereien“ charakterisiert. Ausgangspunkt auch dieser Arbeiten war der Wunsch, Bewegung quasi „einzufrieren“, sie als Potenzial sichtbar und spürbar zu machen, und so nicht nur an die Grenzen der räumlichen, sondern auch der zeitlichen Darstellbarkeit zu stoßen. Seine imposanten Drahtarbeiten schließlich sind der „Vorstoß“ in die dritte Dimension. Trotz ihrer Größe wirken sie erstaunlich filigran, beinahe zerbrechlich.

Die Beschränkung auf die Kontur, auf das Wesentliche, stellt wiederum eine Verbindung zur Technik des Zeichnens, zum „disegno“ her, in dem schon der Erzkunsthistoriker Giorgio Vasari den „Vater aller Künste“ sah. Richard Schneider wollte ursprünglich Zeichnungen von den plastischen Drahtarbeiten anfertigen, entdeckte dann aber das Medium Fotografie als ideale Möglichkeit, Dreidimensionalität mit möglichst wenig Informations- und Qualitätsverlust in der Zweidimensionalität abzubilden. Der verwendete Silberdraht erweist sich dabei als Glücksgriff, da durch die unterschiedlichen Hell-Dunkel-Kontraste eine Raumwirkung wie von selbst entsteht. Die Themen Bewegung, Dynamik und Räumlichkeit sowie die Fähigkeit, die Grenzen einer künstlerischen Technik nicht als Beschränkung, sondern als kreative Herausforderung zu begreifen, durchziehen das Werk Richard Schneiders als „roter Faden“, von den Anfängen in den 60er Jahren bis zu den aktuellen Arbeiten. Seine Position ist auf angenehme Weise frei von Dogmatik, stattdessen ist sie geprägt von einer fast spielerischen Leichtigkeit, von Experimentierfreude und der Bereitschaft, sich im kreativen Prozess immer wieder auch vom Material und seinen Möglichkeiten leiten zu lassen.

–Priska Mielke

Kuratiert von Michael Staab Zeichnungen, Bilder, Objekte / 1999–2011

Ausstellungsdauer: 21.10. bis 28.10.2011